Axel Pechstein ist in Dresden für die Kraftwerke von SachsenEnergie und die Fernwärmeproduktion verantwortlich. Geodät Dr. Mirko Scheinert erforscht die Veränderungen der Polarkappen durch den Klimawandel. Was das miteinander zu tun hat, diskutieren die beiden hier.
Herr Dr. Scheinert, wie kälteempfindlich sind Sie als Polarforscher?
Dr. Mirko Scheinert: Gar nicht so sehr. Viele denken, in der Antarktis oder in Grönland sei die Kälte so schlimm. Es kommt immer auf die Luftfeuchtigkeit an, und die ist gerade in der Antarktis niedrig. Deshalb laufe ich da auch bei Minusgraden manchmal im T-Shirt herum. Außer, wenn der Wind weht, dann wird‘s gleich unangenehm.
Wie tief sinken die Temperaturen?
Scheinert: Zu unseren Expeditionen brechen wir meistens im antarktischen Sommer auf, da erleben wir einstellige Temperaturen, sowohl im Plus- als auch im Minusbereich. Kollegen von mir haben in der russischen Forschungsstation Wostok gearbeitet. Die befindet sich in der Ostantarktis, es herrscht dort eine Durchschnittstemperatur von minus 55 Grad Celsius. Aus bekannten Gründen liegt diese früher sehr gute Kooperation auf Eis.
Herr Pechstein, was ist bislang der kälteste Ort, an dem Sie waren?
Axel Pechstein: Da muss ich überlegen. Entweder die Alpen zu Silvester oder die Ostsee.
Die Ostsee? Ist da was mit der Planung schiefgelaufen?
Pechstein: Nein, nein. Wir fahren auch gerne im Winter an die Ostsee. Damals hatten wir einfach einen echten Winter, es gab viel Schnee und war richtig kalt.
Wann ist Kälte unangenehm für Sie?
Scheinert: Am wenigsten mag ich einen nasskalten Novembertag in Dresden. Drei Grad plus, Nieselregen. Da bin ich lieber in einem kuscheligen Zelt in der Antarktis.
Pechstein: Das kann ich gut verstehen. Mit Feuchtigkeit ist Kälte am schlimmsten.
Wie oft waren Sie schon im ewigen Eis?
Scheinert: Meine erste Expedition fand 1990 statt, es ging nach Ostgrönland für GPS-Messungen. Seither war ich 15-mal dort und 8-mal in der Antarktis. Zuletzt fuhr ich mit meinem Team von der TU Dresden mit dem Forschungseisbrecher „Polarstern“ von Februar bis Mitte April in die Ostantarktis, davon drei Wochen in einem Feldlager am Gaußberg. Da haben wir in Zelten und im Schlafsack übernachtet.
Dr. Mirko Scheinert hat in Dresden studiert und an der Universität Stuttgart im Fachgebiet Satelliten-Geodäsie promoviert, zur Vermessung der Erde vom Weltall aus. Seit 1995 arbeitet er an der TU Dresden und erforscht die Veränderungen der großen Eisschilde der Erde. Dazu begibt er sich regelmäßig auf Expeditionen ins ewige Eis. Das Foto zeigt ihn mit einem GPS-Messgerät im Gebiet des Amundsenmeeres in der Westantarktis.
Was genau erforschen Sie vor Ort?
Scheinert: Polarforschung umfasst viele Fachgebiete, etwa Biologie, Geophysik, Atmosphärenforschung, Geologie. Das ist die Klammer. Mein Team und ich beschäftigen uns mit Geodäsie, also der Vermessung der Erde. Geodäten untersuchen die Form des Planeten, seine Bewegung im Weltraum, die Schwerkraft, die Beziehung zu anderen Himmelskörpern. Mein Spezialgebiet sind die beiden großen Eisschilde in Antarktika und Grönland sowie die Eisfelder in Patagonien. Die vermessen wir und untersuchen die Veränderungen.
Pechstein: Spannend. Welche Methoden nutzen Sie dafür?
Scheinert: Es gibt drei Arten vorzugehen: direkt vor Ort, vom Flugzeug aus und aus dem Weltraum. Wir könnten das auch nur vom warmen Büro aus machen, indem wir Satellitendaten auswerten. Aber alles hat seine Vor- und Nachteile, seine Grenzen und Ungenauigkeiten. Deshalb verbinden wir die drei Methoden, um die Ergebnisse miteinander zu vergleichen und dadurch zu überprüfen.
Geben Ihre Forschungsergebnisse Aufschluss über den Klimawandel?
Scheinert: Ja. Wir ermitteln die Veränderungen der Eismassen und den Anstieg des Meeresspiegels, was spürbar mit den Folgen des Klimawandels verbunden ist. Wenn von den Eisschilden Eisberge abbrechen, sorgt dies bereits für einen Anstieg des Meeresspiegels, auch wenn sie erst später komplett abschmelzen.
Beschleunigt sich dieser Anstieg?
Scheinert: Die Zeitspanne, die wir als Menschen betrachten, ist in Bezug auf die Geschichte der Erde sehr kurz. Selbst 100 Jahre halte ich für wenig. Satellitenmessungen des Meeresspiegels gibt es erst seit Anfang der 1990er Jahre. Davor konnte man nur Pegelmessungen nutzen, die längst nicht alle Gebiete abdeckten. Was ich sagen kann: Wir sehen in der letzten Dekade einen verstärkten Anstieg gegenüber den Dekaden davor.
In welchem Umfang?
Scheinert: Die Meere steigen im Durchschnitt drei bis dreieinhalb Millimeter pro Jahr an. Das mag wenig klingen, aber nach zehn Jahren sind wir dann schon bei bis zu dreieinhalb Zentimetern. Das ist ein Mittelwert, regional wirkt sich das unterschiedlich aus und schafft im Zusammenhang mit der Erderwärmung und den zunehmenden Extremwetterereignissen große Probleme. Im Pazifik werden einige Inselstaaten bereits umgesiedelt.
Beunruhigt Sie das alles?
Scheinert: Ich denke: Wenn die Menschheit so weitermacht, geht die Erde kaputt.
Herr Pechstein, Dresden hat im September ein lokales Unglück erlebt, den Einsturz der Carolabrücke. Wie sehr beeinträchtigt das jetzt im Winter die Versorgung der Stadt mit Fernwärme, für die Sie verantwortlich sind?
Pechstein: Über die Carolabrücke lief eine Fernwärmetrasse, die schlagartig unterbrochen war. Diesen Krisenfall hatte sich keiner vorstellen können. Wir tun seit dem Einsturz der Brücke alles dafür, dass es zu keinen Beeinträchtigungen bei unseren Kunden kommt. Wir haben sofort unser Reserve-Heizkraftwerk Dresden-Nord in Betrieb genommen und damit begonnen, eine provisorische Elbquerung auf der Augustusbrücke zu errichten. In den letzten Jahren haben wir die Fernwärme stark ausgebaut, weil sie auch in Sachen Klimaschutz ein wirklich gutes Produkt ist.
Das größte Heizkraftwerk für Dresden, das an der Nossener Brücke, ist fast 30 Jahre alt. Drohen auch hier Probleme?
Pechstein: Dieses Kraftwerk ist längst nicht mehr die Anlage von damals. Wir haben an der Nossener Brücke vieles modernisiert, sowohl an den Hauptkomponenten als auch an der Infrastruktur. Das ist ein ständiger Erneuerungsprozess. Wir bereiten uns auch darauf vor, dass nach den aktuellen politischen Planungen grüner Wasserstoff frühestens ab dem Jahr 2032 verfügbar sein wird. Darauf richten wir unsere Überlegungen bereits jetzt aus.
Axel Pechstein ist Abteilungsleiter Kraftwerke bei SachsenEnergie. Er studierte an der Technischen Universität Dresden von 1988 bis 1993 Energie- und Kraftwerkstechnik. Nach seinem Studium ging er zur DREWAG, einem der Vorgängerunternehmen von SachsenEnergie. Auf dem Foto steht er auf dem Gelände des Dresdner Heizkraftwerks Nossener Brücke.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei den Planungen von SachsenEnergie?
Pechstein: Nachhaltigkeit ist in unseren Unternehmenszielen fest verankert. Wir wollen und werden die Erzeugung von Strom und Wärme weiter ergrünen. Dresden profitiert übrigens davon, dass schon kurz nach der Wende die richtigen Weichen gestellt wurden. Zu DDR-Zeiten war das Kraftwerk Nossener Brücke ein Braunkohlekraftwerk, mitten in der Stadt, mit riesigen Emissionen, Staub und Schmutz. Für Dresden haben wir schon in den 1990er Jahren auf Erdgas umgestellt und die Kraft-Wärme-Kopplung eingeführt, was dank des hohen Wirkungsgrads wirtschaftlich und umweltschonend ist. Die globale Notwendigkeit, noch nachhaltiger zu werden, haben Sie ja gerade eindrucksvoll geschildert, Herr Scheinert.
Scheinert: Ich verfolge diese Anstrengungen mit Interesse. Auch wenn der Beitrag auf lokaler Ebene im Weltmaßstab gering zu sein scheint: Die Erde ist ein dynamisches System, in dem auch kleine Änderungen große Auswirkungen haben können. Deshalb halte ich es für richtig, innerhalb seiner Möglichkeiten alles zu tun, den Klimawandel abzumildern.
Pechstein: Das sehe ich auch so. Der Bereich, in dem man tätig ist, den soll man in die richtige Richtung lenken. Ohne den Sinn für die Realität, für das Machbare zu verlieren. Daran hakt‘s manchmal. Es ist eine gewaltige Anstrengung, ein Land wie Deutschland in die Klimaneutralität zu führen. Das ist ein langfristiger Prozess, der die gesamte Gesellschaft fordert, also Politik, Bürgerinnen und Bürger, Behörden, Unternehmen. Umweltschutz, Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit müssen in Einklang gebracht werden.
Manchen geht der Umbau in Richtung Klimaschutz nicht schnell genug, manche halten ihn für unnötig.
Pechstein: Letzterem kann ich nicht zustimmen. Über das Tempo kann und muss diskutiert werden. Technisch ist vieles möglich, auch die Umstellung auf klimaneutralen Wasserstoff statt Erdgas – ich lasse mal offen, ab wann und von wem wir grünen Wasserstoff in ausreichenden Mengen bekommen. Aber der Umbau zu einer Infrastruktur für Wasserstoff muss bezahlt werden, die Behörden müssen die Genehmigungen erteilen, die Anlagen müssen gebaut werden. Acht Jahre dauert so ein großer Umbau mindestens, aber nur, wenn alles perfekt läuft. Ich wünsche mir das, aber versprechen kann das niemand.
Was können Sie denn versprechen?
Pechstein: Die Dekarbonisierung der Energieversorgung ist unsere Aufgabe, und die nehmen wir sehr ernst. Bis zum Jahr 2030 wollen wir 30 Prozent der Fernwärme in Dresden ergrünt haben, durch den Einsatz von Großwärmepumpen oder die Nutzung von Sonnenenergie. Das ist ein erster Schritt. Weitere Projekte und Technologien prüfen wir derzeit.
Scheinert: Entscheidungen, die die Nachhaltigkeit betreffen, sollten faktenbasiert und rational getroffen werden. Ich sehe mit Sorge, dass immer mehr Mittel für Museen, Bildung und Sozialarbeit gestrichen werden. Ohne Bildung sind die Menschen aber anfällig für Halbwahrheiten oder Lügen. Wie zum Beispiel die, dass es den Klimawandel gar nicht gibt.
Wie kann künftig Dekarbonisierung in der Region gelingen? Dort gibt es ja weniger Großanlagen zur Energieerzeugung als in der Stadt.
Pechstein: In der dezentralen Erzeugung liegen Chancen. Bauernhöfe können mit Biogasanlagen lokale Wärmenetze aufbauen. Windparks und Solaranlagen können in Zusammenarbeit mit Kommunen und lokalen Trägern entstehen. Wir sollten nur nicht den Eindruck erwecken, dass im Zuge dessen alles billiger wird.
Woher kommt diese Erwartung?
Pechstein: Es gibt den Spruch: Die Sonne schickt keine Rechnung. Stimmt, der Wind auch nicht. Aber leider sind das fluktuierende Energien, das heißt, sie stehen nicht ständig zur Verfügung. Deshalb brauchen wir zusätzliche Anlagen als Reserve, um die Versorgung rund um die Uhr sicherzustellen. Das können zum Beispiel wasserstofffähige Kraftwerke sein, die wie schon beschrieben mit grünem Wasserstoff betrieben werden. Wir sprechen also über mehrere Energieparks, die wir künftig brauchen, und das kostet Geld. Da wird jede Gemeinde eine für sie passende Lösung finden müssen.
Herr Scheinert, was wünschen Sie sich von der Klimapolitik?
Scheinert: Wenn ich mir die globalen Klimakonferenzen ansehe, stelle ich fest, dass die Staaten es nicht schaffen, eine gemeinsame und verpflichtende Abschlusserklärung hinzukriegen. Und deshalb wird vieles nicht umgesetzt, was eigentlich längst als dringend notwendig erkannt worden ist. Die Verpflichtung auf gemeinsame Ziele wäre ein wichtiger Schritt.
Manche kritisieren, Deutschland leiste mehr als andere und schade sich dadurch. Wie sehen Sie das?
Scheinert: Wir tun bei der Energiewende mehr als andere, das stimmt, und ich finde, wir müssen das auch. Deutschland ist ein hochindustrialisiertes Land mit wenig eigenen Rohstoffen. Deshalb brauchen wir innovative, zukunftsfähige Lösungen für unsere Energieversorgung. Wir müssen beim Klimaschutz ein Vorbild für die Welt sein. Wenn wir und unsere techologischen Lösungen als vorbildhaft anerkannt sind, stärkt das unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Pechstein: Weltweit wird positiv registriert, dass aus Deutschland starke Impulse und Fortschritte kommen, was die Dekarbonisierung betrifft. Ich glaube, wir sind verpflichtet, dieses Gesamtprojekt erfolgreich fortzuführen, weil wir damit zeigen können, dass Klimaschutz im großen Maßstab funktionieren kann.
Kehren wir nochmal zum Kälteempfinden zurück. Worauf freuen Sie sich jetzt im Winter am meisten?
Scheinert: Auf echte Minustemperaturen und ganz viel Schnee.
Pechstein: Darauf freue ich mich auch – und besonders aufs Skifahren.
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